Hast du auch schon einmal gehört, die Bibel sei frauenfeindlich? Noch schlimmer finde ich es, wenn das Menschen behaupten, die die Bibel eigentlich kennen – und dann Stellen wie 1. Korinther 14 („Die Frau schweige in der Gemeinde“) oder Epheser 5 („Die Frau sei dem Mann untertan“) als Beweise anführen. Gern wird dann auch auf die Schöpfungsgeschichte verwiesen: Die Frau sei dem Mann nachgeordnet – sie sei ja „nur eine Gehilfin“.
Kennst du noch das Schlüsselwort aus der Andacht vorgestern? Genau: Kontext!
Denn gleich in Genesis 1 macht Gott deutlich: Mann und Frau sind gemeinsam Träger seines Ebenbildes. Dort heißt es: „So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau“ (1. Mose 1,27 HfA). Würde, Berufung und Ebenbildlichkeit gelten beiden Geschlechtern in gleicher Weise.
Auch nach dem Sündenfall ist es Eva, die als erste die Verheißung des kommenden Erlösers empfängt. Interessant ist außerdem das hebräische Wort, mit dem sie beschrieben wird: „Ezer“ – „Helferin“. Was viele nicht wissen: Dieses Wort wird im Alten Testament am häufigsten für Gott selbst verwendet. Gott ist unser Helfer – und niemand würde ihn als untergeordnet bezeichnen. Allein dieser sprachliche Befund entlarvt viele Fehlinterpretationen als das, was sie sind: Auslegungen ohne Kontext.
Natürlich zeigt das Alte Testament patriarchale Strukturen – es entstand ja auch in patriarchalen Kulturen. Aber die Bibel berichtet von starken Frauen: von Prophetinnen, Richterinnen, Anführerinnen und Unternehmerinnen. Die Frau aus Sprüche 31 etwa wird als geschäftstüchtig, klug, strategisch denkend und respektiert beschrieben – eine Frau, die lehrt, Land kauft, Angestellte führt und soziale Verantwortung übernimmt. Ein beeindruckendes Vorbild.
Zugleich begegnet uns die Bibel sehr einfühlsam, wenn es um leidende Frauen geht – Unfruchtbarkeit, Armut oder Ausgrenzung werden nicht verschwiegen, sondern mit Empathie geschildert. Und: Nirgends legitimiert Gott Gewalt gegen Frauen. Er ist kein stummer Beobachter, sondern immer auf der Seite der Schwachen.
Ein Bibelkommentar brachte es gut auf den Punkt:
„Ein Großteil des Alten Testaments ist erzählend, nicht lehrend. Es berichtet, was geschehen ist – nicht, was geschehen sollte.“
Spätestens im Neuen Testament sehen wir, wie Jesus dieses Bild radikal verändert. Er spricht mit Frauen öffentlich – etwa mit der Frau am Jakobsbrunnen, der er als Erste überhaupt offenbart, dass er der Messias ist. Er lässt Maria von Bethanien zu seinen Füßen sitzen und lehren – eine Rolle, die sonst nur Männern vorbehalten war. Frauen stehen am Kreuz, begleiten Jesu letzte Worte – und sie sind es, die als erste Zeuginnen der Auferstehung auftreten. Und das in einer Zeit, in der das Zeugnis von Frauen offiziell nichts galt!
Wäre das Evangelium eine erfundene Geschichte, hätte man diese Details gestrichen. Stattdessen werden sie betont – weil Gott selbst es so entschieden hat. Er sieht Frauen. Er beruft Frauen. Und er vertraut ihnen zentrale Aufgaben an.
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird deutlich: Frauen sind niemals Menschen zweiter Klasse. Sie sind berufen, stark, begabt, gewollt – von Anfang an. Gott ist kein Gott der Unterdrückung, sondern ein Gott der Würde, der Gleichheit, der Liebe und der Berufung – für Männer wie für Frauen.
Möge unsere Kirche im 21. Jahrhundert diese Sicht weitertragen – und mutig vorleben. Denn Glaube wird dann am glaubwürdigsten, wenn er sich im Umgang miteinander zeigt. Wie Jesus es tat.
Sei gesegnet!
„Gleichberechtigung ist keine Frauenfrage, sondern eine Menschenfrage“ (Angela Merkel).